Pitt

PITT (Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie)

PITT ist eine von Frau Dr. Luise Reddemann entwickelte Methode zur Behandlung von Leidenszuständen, welche sich als Folge traumatischer Erlebnisse entwickelt haben (siehe Link “Traumafolgeerkrankungen”), insbesondere der Post­trau­ma­tischen Belastungsstörung und der Bor­der­line Per­sön­lich­keits­störung, welche u.a. durch Dissoziation (Spal­tung) gekennzeichnet sind.

Die klassischen Symptome einer Posttraumatischen Be­las­tungs­störung (Schreckhaftigkeit, Überwachheit, Ver­mei­dung, Panikattacken, Albträume) treten häufig nach Monotraumata auf. Komplexe Störungsbilder (instabile Affektregulation, selbst­schä­di­gen­des Verhalten, Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen des Bewusstseins, dissoziative Störungen, Veränderung der Bedeutungssysteme) sind eher nach durch von vertrauten Menschen (“man-made disaster”) über einen langen Zeitraum wiederholt zugefügte Traumata oder Multitraumata zu erwarten und werden auch als Komplexe Posttraumatische Be­las­tungs­störung bezeichnet. Gelegentlich zerfällt die Person auch in mehrere Personen, was man früher als Multiple Persönlichkeitsstörung bezeichnet hat. Heute spricht man von einer Dissoziativen Identitätsstörung. Diese entwickelt sich als Folge von anhaltenden Erfahrungen schwerster Gewalt und Vernachlässigung in der frühesten Kindheit (ritualisierter Kindesmissbrauch, Kinderpornografie). Es gab keinen einzigen verlässlichen Menschen für das Kind.

Unbewältigbare emotionale Zustände werden getrennt ge­hal­ten (Dissoziation), was ursprünglich – als die tatsächliche Traumatisierung erfolgt ist – als Überlebensstrategie diente. Dieser Mechanismus verselbständigt sich jedoch im weiteren Leben und man dissoziiert, ohne dass man es möchte.

Schon scheinbar unbedeutende Situationen können als “Trigger” wirken und die dem Trauma adäquaten Gefühle von Angst, Panik und Hilflosigkeit auslösen, die jedoch in der Gegenwart als unerklärlich erlebt werden.

PITT fördert gezielt die Selbstregulation von negativen Affekten, Selbstfürsorge und Selbstmanagement mittels Imagination.

Selbstregulation kann durch gezieltes Nutzen des Mechanismus der Dissoziation erreicht werden, wodurch einerseits überflutende Affekt ferngehalten werden (“Tresor”-Übung, Beobachtertechnik), durch Übungen wie “Sicherer Ort”, “Innere Helfer” kann Schutz und Geborgenheit erlebt werden. Diese Imaginationen regen auch die schon vorhandenen Selbstheilungskräfte des Klienten an. Diese zu finden und zu nutzen ist ein zentraler Punkt in der PITT, denn bei allem Leiden sind immer auch Selbstheilungskräfte vorhanden. Ohne dies hätte die KlientIn das Trauma nicht überlebt! Es geht also darum, die Resilienz zu stärken.

Die Basis der therapeutischen Haltung ist Respekt, Wür­digung, unerschütterliche Zuversicht in die Resilienz der KlientIn, Achtsamkeit und Mitgefühl.

Auch scheinbar “sinnloses” Verhalten wie Sucht, Selbst­ge­fähr­dung, Substanzmissbrauch, Hyperaktivität oder Ver­blei­ben in belastenden Beziehungen werden ernst genommen, in dem Sinne, dass sie als Selbst­ret­tungs­maß­nahmen einmal sinnvoll waren. Die Suche nach alternativen Möglichkeiten, Entspannung, Sicherheit und Selbstwert zu erleben ist wesentlich.

Die Persönlichkeit wird in der PITT nicht als eine in sich gegossene Entität begriffen sondern im Sinne eines Inneren Teams, bestehend aus sich unterscheidenden “Ego-States” (John und Ellen Watkins), welche bei gesunden Menschen kooperieren, bei Traumatisierten jedoch nicht verbunden sind oder nicht ausreichend im Gleichgewicht stehen und es deshalb zu inneren Spannungen kommt, ja zu Affekt­über­flutungen und/oder unerklärlichem Verhalten. Ressourcen­volle Teile können z.B. bei einer Affektüberflutung nicht genutzt werden. Kritische Teile geißeln die “Schwäche” oder lassen “Scham” erleben. Verletzte Anteile sind in Panik. In der PITT geht es darum, dieses Innere Team wieder in Kontakt zu bringen, so dass sich die Teile gegenseitig unterstützen und bereichern können.

Bei Dissoziativen Identitätsstörungen kann es gelingen, dass die Personen sich kennen und eine Hauptperson sozusagen die Kontrolle behält, also die anderen Personen managen kann und so ein kontrolliertes, respektvolles Nebeneinander möglich wird (Literatur: “Viele sein”, Michaela Huber).

Der Therapeut und der Erwachsene Kompetente Ich-Anteil der KlientIn kümmern sich gemeinsam um verletzte Innere Anteile– meistens ein “inneres Kind” oder jüngere Ichs. Diese werden an einen guten, sicheren inneren Ort gebracht um dort von immerwährend verfügbaren “Idealen Eltern” und “Hilfreichen Wesen” versorgt und getröstet zu werden. Auch das Erwachsenen-Ich von heute kann dies tun. Die in der Therapie gelernten Übungen können später selbständig anwendet und damit Stress reguliert werden.

Ist innere Stabilität erreicht, kann, wenn der Klient dies wünscht, ein Traumabarbeitung erfolgen.

Durch die distanzierende Beobachtertechnik oder Bild­schirm­technik ist eine sorgfältige schrittweise Annäherung an die traumatischen Gefühle möglich, ohne dass es zu einer Retraumatisierung, sprich Gefühlsüberflutung kommt. Die traumatische Situation wird schrittweise durchgegangen, wobei minimales Erleben reicht. Dadurch kann das vorher “abgekapselte”, “wie selbständig ablaufende” Teilerleben von aus dem Zusammenhang gelösten Erfahrungen (Ge­rü­che, Bilder, Körperwahrnehmungen,…) in die Gesamt­per­sön­lich­keit integriert werden und so in einen Sinnzusammenhang gebracht werden. Dadurch verliert es an Bedrohlichkeit und kann als ein Ereignis, das “vorbei” ist, zur Erinnerung wer­den.

Trauer kann Angst und Panik ablösen und es kommt zu einer Neuorientierung, ähnlich wie nach allen Verlusterlebnissen. Schuld und Schamgefühle können losgelassen werden, Sinnfragen geklärt werden. Dabei helfen Rituale (Brie­fe­schrei­ben, Gegenstände begraben), Geschichten erfinden, Musik, Kunst oder Spiritualität.

Illustrationen:
Dr. Veronika Oepen-Duré

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